„Frauen für den Frieden“

wi(e)derstehen lernen

„Die Geschichte der Gruppe „Frauen für den Frieden“ beginnt im Jahr 1982. Sie erzählt, wie Frauen sich mobilisierten, Dinge wagten und taten, die sie noch kurze Zeit zuvor für unmöglich gehalten hatten und damit ihr Leben unumkehrbar veränderten.“
(Ruth Leiserowitz)

SEID DOCH LAUT greift auf die Erinnerungen der Frauen dieser Gruppe zurück. Die Performance ist inspiriert von Almut Ilsen und Ruth Leiserowitz herausgegebenem Buch „Seid doch laut! – Die Frauen für den Frieden in Ost-Berlin“ (Ch. Links Verlag, Berlin 2019, Aufbau-Verlage)

„Es war höchste Zeit, unsere Geschichte auch für andere aufzuschreiben – denn die Geschichte der Entmachtung der SED war keine Männergeschichte. Und es gilt auch, unsere Geschichte der Perspektive der Staatssicherheit entgegenzusetzen.“
(Almut Ilsen)

An die „Frauen für den Frieden“ zu erinnern, ihren Mut und Engagement ins Zentrum zu rücken, katapultiert uns in die Gegenwart. Es sind nicht nur die Ehefrauen von bekannten Oppositionellen wie sie in vielen Geschichtsbüchern am Rande erwähnt werden. Den Aktionen und dem Einfluss dieser Frauen wollen wir Aufmerksamkeit verleihen.

„Was bleibt sichtbar von dem vergangenen Geschehen und wer? Frauengeschichten hatten und haben es schwer wahrgenommen zu werden. Der Anteil an Frauen an Widerstand und Opposition der 80er Jahre bliebe so gut wie unsichtbar, wenn die Frauen nicht selbst dafür Sorge tragen würden, ihre Geschichte bekannt zu machen. Frauen sind Akteurinnen des Zeitgeschehens.“
(Irena Kukutz)

Die „Frauen für den Frieden“ waren eine der am längsten existierenden Oppositionsgruppen in den 1980er Jahren und Mit-Wegbereiterinnen der Friedlichen Revolution.

„Und es gab 1989, glaube ich, mehr bewusste Frauen als bewusste Männer.“
(Bärbel Bohley)

Fast alle ehemaligen „Frauen für den Frieden“ waren während der Friedlichen Revolution politisch aktiv. So wurde das „Neue Forum“ und „Demokratie Jetzt“ unter maßgeblicher Beteiligung von einigen dieser Frauen mitbegründet.

Die Ereignisse des Jahres 1989 sind vielen Europäern in genauer Erinnerung. An den Anfang der 1980er Jahre denken die meisten jedoch nur selten zurück, und kaum einem ist gewahr, dass in diesem kurzen Jahrzent viel in Bewegung geriet.“
(Ruth Leiserowitz)

1982 formulierten sieben Frauen eine Eingabe an den Partei- und Staatschef Erich Honecker zu einem neuen Gesetz, das Frauen in die Armee zwingen sollte, unterschrieben von etwa 130 Frauen aus Ost-Berlin und Halle (Saale).

„Ich fand es wichtig, dass ich als Frau sage: `Nein, ein Militärdienst kommt für mich überhaupt nicht in Frage, nirgendwo, und in der DDR schon gar nicht.` In diesem Sinne versuchte ich auch meine Kinder zu erziehen.“
(Bettina Rathenow)

Die zunehmende Militarisierung der ganzen Gesellschaft fand seinen Niederschlag in der staatlichen Bildungspolitik: Wehrkundeunterricht für Kinder, vormilitärische Ausbildung für Lehrlinge, Zivilschutzübungen in den Universitäten und Betrieben.

„Ich war empört darüber und forderte eine Erklärung, warum im Kinderzimmer Krieg gespielt werden sollte. Wir fragten Verkäufer, warum sie Kriegsspielzeug in ihre Schaufenster stellten.“
(Elke Westendorff)

Es war die Verantwortung für ihre Kinder; die Sehnsucht nach Frieden unter der ständigen Bedrohung durch die globale militärische Aufrüstung; die Angst vor der nuklearen Katastrophe und der Umweltverschmutzung – Bedrohungen, die aktueller denn je sind – was sie zum Handeln brachte.

„Wie viel persönliches Risiko ist man selbst zu tragen bereit? Müssen wir damit rechnen, dass dies schon zum Anlass genommen wird, uns ins Gefängnis zu bringen? Mit welchen beruflichen Konsequenzen wird die einzelne Unterzeichnerin zu rechnen haben? [..] müssen wir gerade weil wir Kinder haben, uns hier einmischen?“
(Ulrike Poppe)

Am 17. Oktober 1983 warfen die Friedensfrauen – als Zeichen des Protestes ganz in Schwarz gekleidet – auf dem Postamt am Alexanderplatz gemeinschaftlich ihre Verweigerung per Einschreiben an das zuständige Wehrbezirkskommando ein.

„Das war wirklich ein eigenes Erlebnis, dass es etwas nützt, wenn vier Frauen sich einfach unterhaken, nicht loslassen und sich damit gegenseitig schützen.“
(Jutte Seidel)

Wegen ihrer Kritik an dem DDR-System wurden sie vom MfS als staatsfeindlich eingestuft, überwacht und kontrolliert. Trotzdem gründeten sich in 17 Städten eigenständige Frauengruppen, die sich vernetzten und mit eindrucksvollen Protestaktionen die Öffentlichkeit suchten.

„Wi(e)derstehen lernen war eines der Leitmotive, genauso wie gewaltloser Widerstand das bestimmende Credo war.“
(Irena Kukutz)

Krampfhaft suchten die Ordnungshüter die männlichen Rädelsführer hinter dem Frauenprotest. Erst vier Jahre nach dem Entstehen der Bewegung eröffnete die Staatssicherheit den „Zentralen Opperativen Vorgang“ (ZOV) mit dem Decknamen `Wespen`, um die Frauengruppen zu zersetzen.

„Die Stasi vermutete, hinter allem würden Männer stecken. Mensch, die trauen das den Frauen gar nicht zu. Was wir für Freiräume haben!“
(Bärbel Bohley)

Das Fundament für den Zusammenhalt als Gruppe bildeten die regelmäßigen Treffen in den Wohnungen der Frauen, um Protestbriefe zu formulieren oder die nächste Veranstaltung vorzubereiten.

„Das war oft sehr lustig bei unseren Treffen, und ich war gern dabei.“
(Elisabeth Gibbels)

Der Name „Frauen für den Frieden“ war bewusst mit Verweis auf die Friedensbewegung der Frauen im Westen gewählt: Sie wollten offen demonstrieren, dass Frauen auf der anderen Seite der Mauer nicht ihre Feinde waren und solidarisch handeln.

„Aktionen waren gegen ein Denken in Feindbildern und Blöcken, das Ost und West beherrschte.“
(Irena Kukutz)

Die 80er Jahre waren gekennzeichnet durch den zunehmenden Protest von Frauen in Ost und West gegen den Rüstungswahnsinn. Das Vernichtungspotential auf beiden Seiten war erschreckend angewachsen. Der Weg der gegenseitigen Abschreckung durch mehr und gefährlichere Waffen führt in eine Katastrophe.

„Zuerst war es – nur – ein Akt der Selbstbehauptung, der Emanzipation gegen die fortwährende Entmündigung im weitesten Sinne.“
(Irena Kukutz)

Im Dezember 1983 wurden Bärbel Bohley und Ulrike Poppe verhaftet. Dank der zahlreichen Solidaritätsbekundungen auch aus dem Ausland wie den Mahnwachen der West „Frauen für den Frieden“ am Checkpoint Charlie, wurden sie sechs Wochen später freigelassen.

„Wir brauchten die westliche Presse, und das zeigte sich gerade bei den Verhaftungen. Ich habe es immer als Schutz gesehen und auch als Notwendigkeit, unsere Ideen und Aktionen über die Westmedien innerhalb der DDR bekannt zumachen.“
(Hannelore Offner)

Am 23. Mai 1984 findet das erste Politische Nachtgebet der „Frauen für den Frieden“ in der Auferstehungskirche in Friedrichshain unter dem Motto „Kommt lasst uns klagen, es ist an der Zeit. Wir müssen schreien, sonst hört man uns nicht“ statt.

„Bei vielen hing der Spruch an der Wand: `Bleibe im Lande und wehre Dich täglich`. Ich habe es versucht, war aber zu unruhig. Katja Havemann sagte später: `Du warst so bunt, du musstest weg.`“
(Rommy Baumann)

Die Interviews der „Frauen für den Frieden“ als eine Kette von Erfahrungsberichten vieler einzelner unterschiedlich stark involvierter Frauen und so kann auf diese Weise vielleicht die Vielgestaltigkeit und Lebendigkeit des Vergangenen in all seiner Widersprüchlichkeit sichtbar werden.

„Die Seele ist verletzbar. Das habe ich erfahren. Stellen Sie sich vor, Sie haben in Ihrer Wohnung keine einzige Schublade, in die Sie ihre Notizen legen können. Jeder Raum ist vom Geheimdienst vermessen, jedes Wort kann mitgeschnitten werden. Jede intime Handlung wird belauscht. […] Dennoch, es war eine irrsinnig aufregende Zeit. […] Und die Gemeinschaft innerhalb der Gruppe – die Möglichkeit, an eine Tür zu klopfen und mit einer Freundin sprechen zu können.“
(Barbe Maria Linke)