Notizen über die Musik von Lizzy ScharnofksE
Ich habe mich intensiv mit dem Thema und Inhalt des Stückes auseinandergesetzt. Der Ansatz ist sehr emotional. Somit ist die Musik auch emotional. Das Buch „Seid doch laut!“ hat auf mich gewirkt, sowie die Menschen, die Frauen für den Frieden. Und natürlich habe ich mich vor allem vom Aufführungstext inspirieren lassen. Die Originaltonaufnahmen aus dem Stasi-Archiv und Bilder aus dem Archiv der Robert-Havemann-Gesellschaft spielen auch eine große Rolle, sowohl als Inspiration für die Entstehung der Musik, und auch als Teil von Soundcollagen.
Die Ideen sind da, aber es entwickelt sich vieles auf den Proben. Teilweise entsteht die Musik in Echtzeit auf der Probe. Dadurch, dass ich beim Probenprozess dabei bin, kann ich direkt auf die Szenen, die Schauspielerinnen und Stimmungen eingehen und die Atomsphären für die Musik einfangen und umsetzen. Die Musik ist stark inspiriert durch den Raum, durch die Geschichte dieses Ortes. Durch die Stimmungen, die hier entstehen. All das färbt die musikalischen Ideen.
Besonders für mich als Jazzmusikerin liegt es mir, aus dem Moment heraus etwas zu erschaffen und zu gestalten. Im Jazz spielt ja Improvisation eine maßgebliche Rolle, so gehe ich auf den Proben sehr offen und frei an die vorgeformten Ideen. Ich lasse mich inspirieren und inspiriere bestenfalls meine Mitspielerinnen mit einem Sound oder einer Melodie. Es geht um Songs, Atmos und Soundscapes, die das Spiel und die Handlung unterstützen. So sind die Kompositionen entstanden.
Die Musik lebt und durchlebt die dramaturgischen Momente.
Die Musik in Stilistiken einzuordnen ist immer schwierig. Die Musik bildet eine große Bandbreite an Emotionen und Stilen ab und das musikalische Werkzeug ist groß. Zu hören ist eine Mischung aus akustischen und elektroakustischen stimmungsvollen Klangwelten, gespielt mit verschiedenen Live Instrumenten, Synthesizern und mit dem Einsatz der Stimmen und Originaltonaufnahmen (teils verfremdet) aus dem Stasi Archiv. Mittelpunkt bildet ein Schlagzeug und diverse Percussion Instrumente, Kalimba, Glockenspiel, eine Trompete, Stimme und Live Synthesizer. Dazu, auch analoge, Effektketten. Es sind u.a. Eigenkompositionen zu hören, minimalistisch, sphärisch, minimal poppig, elektronisch, und die 80er spiegeln sich mit Synthesizer Sounds wieder. Die Lieder von Bettina Wegner bekommen ein individuelles Gewand und prägen die ganze Performance. Außerdem gibt es musikalische Zitate von bekannten Songs der 80er oder Pionierliedern in eigenem Stil zu hören und Eigeninterpretationen von Musik der 70er.
Die Musik trifft hoffentlich mitten ins Herz.
Lizzy Scharnofkse
BETTINA WEGNER
Als ich das erste Mal ein Lied von Bettina Wegner gehört habe, war ich tief bewegt. Das war während der Recherche für unser Stück. Die Musik, diese Frauenstimme, ihr Gesangsstil und vor allem die Texte hatten etwas in mir erreicht, von dem ich nicht wusste, dass es existiert. Ich fühlte mich mit einer Künstlerin verbunden, deren Namen ich vorher noch nie gehört hatte.
Als ich nach und nach ihr Werk entdeckte, konnte ich eine Welt, eine Zeit, ein Land und seine Menschen, eine Lebensart, eine politische Situation und, was besonders auffällig war, eine Lebenseinstellung erkennen, die weit von allem entfernt war, das ich bisher kannte. Bettinas Lieder waren einfach anders als die anderer Liedermacher jener Zeit, vor allem anders als die von Männern. Bettina schrieb über ähnliche Themen, aber ihre Lieder waren herzzerreißend ehrlich, sensibel, einfach und mutig. Bettina war, genau wie die “Figuren“ unseres Stücks, eine Frau, die in den 1980er Jahren in der DDR lebte und kreativ war. Durch ihr künstlerisches Schaffen hat sie mir einen Weg gezeigt, mich diesen Frauen zu nähern und sie besser zu verstehen, sowohl ihr Leben als auch ihr politisches Handeln.
Ich höre immer Musik, wenn ich schreibe, und für jede Szene finde ich die Lieder, die mich inspirieren, die die Stimmung und das Tempo bestimmen. Bettinas Musik wurde der Soundtrack meiner dramaturgischen Arbeit. Aber sie war so eng damit verbunden, dass sie schnell ihren Weg in die Erzählung selbst fand. Es fühlte sich natürlich an, die Lieder in unsere Geschichte einzubauen, sie zu adaptieren und sie aus unserer heutigen Perspektive zu interpretieren. In unserer Aufführung gibt es viel Musik. Und die Lieder von Bettina Wegner sind ihr musikalisches und emotionales Rückgrat.
Nancy Biniadaki
November 2022